Wenn wir im Business – und nicht nur dort – miteinander sprechen, dann oft nicht, um uns zu verstehen, sondern vielmehr, um uns zu positionieren und unsere Meinung zu markieren. Das wurde mir erst kürzlich wieder mal klar vor Augen geführt.

So sass ich als Externer mit drei Anteilseignern anlässlich ihrer GV zusammen. Es ging darum, wann und wie der Jüngste von den beiden Älteren deren Anteile übernehmen sollte, um danach das Unternehmen alleine weiterzuführen. Da vor einigen Wochen von einem Übernahmezeitpunkt in knapp 2 Jahren gesprochen worden war, ging der Jüngste davon aus, dies sei nun so fix definiert. Dies, obwohl ihm die beiden anderen versuchten klar zu machen, dass sich in der Zwischenzeit deren Umstände geändert hatten, so dass sie lieber bereits in einem Jahr verkaufen würden. Mit einem (grossen) Brett vor dem Kopf versuchte der künftige Nachfolger mit Nachdruck an den 2 Jahren festzuhalten, obwohl der Kauf in einem Jahr seinen Interessen deutlich besser entsprach – wie sich später herausstellte. Nicht viel kooperativer verhielten sich seine beiden Partner. Trotzig nahmen sie das Statement einfach zur Kenntnis. Hätte das Meeting hier geendet, so hätte wohl jeder vom anderen gedacht, er sei stur und denke nur an seinen eigenen Vorteil.

An diesem Punkt fragte ich den Nachfolger, warum er unbedingt an den 2 Jahren festhalten wolle und, ob unüberwindbare Gründe für einen Verkauf bereits in einem Jahr im Wege stehen würden. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass er seine Geldgeber auf 2 Jahre avisiert hatte, diese aber voraussichtlich auch in einem Jahr finanzieren könnten, er sie danach aber nochmals fragen müsste – und, nachdem wir herausgearbeitet hatten, dass für ihn eine Übernahme in einem Jahr finanziell besser wäre, fiel bei ihm der Fünfziger. In der Folge legten auch die beiden Verkäufer Ihre Gründe offen, warum sie neu lieber in einem Jahr verkaufen würden und langsam kam ein plausibler Dialog in Gang. Am Schluss, und nachdem alle Motive klar auf dem Tisch lagen, stellte sich heraus, dass der neue Zeitplan für alle Beteiligten nur Vorteile bot und daher im Interesse aller anzustreben sei.

Ende gut, alles gut? Mitnichten! Mir fallen ganz spontan vier weitere Bereiche ein, wo primär Meinungen verkündet werden, als dass nach den Motiven dahinter geforscht wird.

Der Klassiker dazu sind sicher (öffentliche) politische Diskussionen. Da wird permanent aneinander vorbeigeredet und es geht im Prinzip nur darum, (unverrückbare) Positionen zu deklarieren. Das ist ein Grund, weshalb Sendungen wie die "Arena" oder Polit-Talkshows oft schwer zu ertragen sind. Sicher, deren Aufgabe ist im Grunde nicht Wissen zu kreieren, sondern eine Show zu liefern. Für uns Bürger bloss dumm, wenn die Politiker auch hinter geschlossenen Türen im gleichen Modus weiter machen.

Auf den sozialen Medien verhält es sich allerdings nicht besser. Dort wird gepostet, was das Zeug hält, ohne dass wirkliche Interaktion erwartet wird. Im Gegenteil, auch wenn Posts einigermassen kritisch-intelligent kommentiert werden, entsprechende Reaktionen darauf findet man selten. Die Kommentare werden einfach totgeschwiegen. So, dass sich die Beiträge faktisch auf "Super, gut gemacht", "Gratulation", "ich bin ganz der Meinung" und dergleichen beschränken.

Vergleichbar dazu die vielen – nicht selten wertvollen – Beiträge und Artikel in unseren IT-Fachmedien (nicht nur bei inside-it.ch oder inside-channels.ch), die zwar täglich publiziert werden, aber kaum je zu einem Dialog mit weiterführendem Wissensaufbau führen. Sehr schade, wie ich denke.

Am übelsten finde ich aber das fehlende Interesse für das Warum und Wieso im Verkauf. Nach wie vor herrscht hier die Meinung vor, man müsse sich erstmal klar positionieren, sein eigenes Unternehmen mit X Folien à la "wir sind dies und das, wir können dies und das und wir sind da und dort vertreten" präsentieren und sich überhaupt ganz hervorragend verkaufen. Und zwar immer gleich zu Beginn, ohne vom Gegenüber zu wissen, wieso genau man überhaupt hier ist. Gelegentlich landen solchermassen aufgegleiste Projekte später beim Anwalt – wie ich aktuell wieder eines davon auf dem Tisch habe. So wurde auch dort über Monate, sogar Jahre erfolgreich aneinander vorbeigeredet, es wurden Deklarationen – auf beiden Seiten – abgegeben, aber es wurde kaum miteinander geredet. Geschweige denn, dass versucht wurde, die andere Partei zu verstehen und damit hinter die Kulissen zu blicken.

Für Stephen Covey in seinem wegweisenden Leadership-Klassiker "Die 7 Wege zur Effektivität" geht es an dieser Stelle um eines der grundlegendsten Führungsprinzipien: Erst verstehen, dann verstanden werden. Für mich mittlerweile zu einem Leitmotiv geworden, stellt es sicher, dass wir uns – bevor wir immer gleich reinschiessen – zuerst mit unserem Gegenüber auseinandersetzen, seine Motive und Erwartungen versuchen zu verstehen und erst dann eine darauf passende Antwort präsentieren. "Das Harvard-Konzept", ursprünglich entwickelt, um die verfahrene Verhandlungssituation im Nahen Osten zu lösen, schlägt in die gleiche Kerbe. Wer die Motive seines Verhandlungspartners nicht kennt und wirklich verstehen will, wird keine nachhaltige Lösung hinbekommen.

Wenn ich behaupte: Dialog statt Monolog – dann pflichten mir die meisten sicher sofort bei. Doch Achtung! Dialog entsteht nicht einfach, indem man dem anderen zuhört und ihn nicht unterbricht. Dialog entsteht erst dann, wenn man die Motive des anderen so tief wie möglich kennen und nachvollziehen will. Ob man die daraus geschlossenen Ansichten teilt, spielt keine Rolle. Nur wer die Gründe des anderen kennt, versteht und nachvollziehen kann und will, kann daraus massgeschneiderte Lösungen mit höchstem Nutzen kreieren. In der Beratung gilt dieses Prinzip uneingeschränkt. Im Sales allerdings auch. Wird doch ein IT-Verkäufer selten zu einem Kunden eingeladen, der eigentlich gar keine IT braucht, sondern vielleicht nur eine neue Kaffeemaschine. Auch wenn dies nicht ganz ausgeschlossen werden kann.

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