Von Tobias Angehrn, Founder finwize.ch - der digitale Finanzassistent für KMU

Crowdlending etabliert sich immer mehr als alternative Finanzierungsform für Schweizer KMU. Das vermittelte Kredit-Volumen wächst jährlich um zwanzig bis vierzig Prozent, im vergangenen Jahr (2019) dürfte die 200-Millionen-Grenze bei den KMU-Finanzierungen erreicht worden sein. Gleichzeitig wird auch das Angebot für Unternehmen grösser. Zwischen zwölf Anbietern können interessierte Unternehmer derzeit auswählen. Finwize hat das Angebot für Schweizer KMU untersucht und aus Sicht eines kreditsuchenden Unternehmens die acht wichtigsten Punkte identifiziert, die bei der Wahl der passendsten Finanzierungsplattform berücksichtigt werden sollten.

Die Kurz-Studie, welche auch eine komplette Auflistung der Schweizer Anbieter inklusive Kostenvergleich beinhaltet, kann hier kostenlos heruntergeladen werden: http://bit.ly/2R2HNCi.

Wachsendes Angebot für Schweizer Unternehmer

Beim Crowdlending, oft auch als Peer-to-Peer (P2P) Finanzierung bezeichnet, tritt im Gegensatz zu einem konventionellen Finanzierungsverhältnis keine Bank als Kreditgeberin auf, sondern die Kreditsumme wird dem Unternehmen von mehreren Darlehensgebern gegen einen im Voraus vereinbarten Zins direkt zur Verfügung gestellt. In den Pionierzeiten dieser neuartigen Finanzierungsform handelte es sich bei den Kreditgebern vor allem um Privatpersonen und Unternehmer, die sich gegenseitig aushalfen. Heute arbeiten sämtliche im Rahmen der Studie befragten Plattformen auch mit institutionellen Anlegern zusammen. Den Crowdlending-Plattformen kommt dabei die Rolle als Vermittlerin zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern zu, sie finanzieren sich über Gebühren auf der Anleger- wie auch auf der Kreditnehmerseite. Für Unternehmer stellt diese Art der Geldbeschaffung eine spannende Alternative zum herkömmlichen Bankkredit dar. Die Abwicklung ist bei den meisten Anbietern komplett digital und damit deutlich schneller als bei Banken. Zudem ist das minimale Finanzierungs-Volumen in der Regel tiefer als bei Banken.

Auf den ersten Blick ist das Angebot der zwölf auf KMU fokussierten Crowdlending-Anbieter in der Schweiz sehr ähnlich: Sie bieten Unternehmern eine unkomplizierte und flexible Finanzierungslösung an. Schaut man etwas genauer hin, lassen sich die Angebote aufgrund der folgenden 4 Merkmale voneinander unterscheiden.

1. Mindestanforderungen und Produktpalette

Bei der Kreditprüfung räumen viele Anbieter den sogenannten «qualitativen Faktoren» viel Gewicht ein. Dabei werden die Jahresabschlüsse der Unternehmen ausgewertet und darauf basierend wird eine Beurteilung vorgenommen. Das heisst im Klartext, Kredit gibt’s dann, wenn die Abschlusszahlen dies zulassen. Die Modelle sind dabei bei allen Plattformbetreibern ähnlich. Haupt-Treiber für einen Kreditentscheid sind in der Regel die Höhe des erwirtschafteten Cashflows und das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital in der Bilanz. Andere Anbieter wiederum haben Verfahren entwickelt, die auch Faktoren wie beispielsweise die Online-Reputation mit in die Beurteilung einfliessen lassen. Dank dieser zusätzlichen Entscheidungs-Dimension können diese teilweise auch in Fällen noch Finanzierungen anbieten, wo es herkömmliche Kredit-Modelle nicht mehr zulassen würden.

Auch bezüglich Mindestalter gibt es Unterschiede, die es zu beachten gilt. Einige Anbieter akzeptieren bereits Startups mit einem knappen Jahr Geschäftstätigkeit, andere wiederum erwarten bis zu vier Jahresabschlüsse.

Beim Angebot unterscheiden sich die Angebote ebenfalls. Einige bieten ausschliesslich Kurzkredite von maximal 6 Monaten Laufzeit an und finanzieren bereits Beträge ab CHF 10’000, andere wiederum sind langfristig ausgerichtet mit Kreditlaufzeiten von durchschnittlich 4-5 Jahren und bieten erst ab einem Kreditvolumen von CHF 100'000 oder mehr eine Finanzierung an.

Die Ablehnungsquote vieler Anbieter liegt bei gut 80%. Es empfiehlt sich daher dringend, im Voraus über die Möglichkeiten und Anforderungen zu informieren, um sich mögliche Frustration und unnötigen Arbeitsaufwand zu sparen.

2. Kosten

Ihre Kosten decken die Crowdlending-Anbieter hauptsächlich über Gebühren, da die Zinserträge ja an die Crowd, also die Geldgeber, fliessen. Typischerweise fallen auf der Kreditnehmer- wie auch auf der Kreditgeber-Seite Kosten an. Die Gebührenstruktur unterscheidet sich dabei von Anbieter zu Anbieter stark. Es gibt Plattformen mit einmaligen Pauschal-Gebühren bei Auszahlung, auch die Verzugsgebühren im Falle einer Verspätung variieren von 10.- bis zu mehreren Hundert Franken. Das Total der jährlich erhobenen Gebühren schwankt je nach Anbieter, Produkt und Risikoklasse des kreditsuchenden Unternehmens von 0.4 bis 3% pro Jahr Laufzeit.

Die Höhe der Zinsen sind abhängig von der Risikoeinschätzung, unterscheiden sich jedoch zwischen den einzelnen Plattformen (bei gleicher Risikoklasse) nicht wesentlich.

3. Anonymität und Transparenz

Diesbezüglich haben die Crowdlending-Plattformen keine einfache Aufgabe. Sie müssen auf der einen Seite ihren Investoren gegenüber möglichst transparent sein, auf der anderen Seite erwarten die kreditanfragenden Unternehmen zurecht grösstmögliche Diskretion. Grundsätzlich sind sämtliche Anbieter von einer sogenannten Selbstregulierungs-Organisation (SRO) reguliert und unterstehen somit den gleichen Datenschutz-Standards wie auch Banken. In welcher Form sie den Investoren Zugriff auf welche Daten gewähren, wird von Plattform zu Plattform unterschiedlich gehandhabt. Einige Anbieter geben eine grobe Branchenzugehörigkeit und zusammengefasste Kennzahlen bekannt, lassen jedoch keine Rückschlüsse auf das kreditsuchende Unternehmen zu. Andere wiederum geben die Namen der kreditsuchenden Unternehmen bekannt, teilweise inklusive Bilanz- Kennzahlen und Aussagen zur Risiko-Einschätzung.

Für die kreditsuchenden Unternehmer gilt in der Regel: Je mehr Transparenz den Investoren gegenüber herrscht, desto mehr Vertrauen haben diese in die Projekte und desto rascher und günstiger kommt auch die Finanzierung zustande.

4. Zuverlässigkeit des Plattform-Anbieters

Crowdfunding ist noch immer ein relativ junges Angebot in der Schweiz. Wie zuverlässig und etabliert ein Anbieter tatsächlich ist, ist als Aussenstehender schwierig einzuschätzen - mögliche Anzeichen können die Grösse und Bekanntheit des Anbieters sein. Zwar gibt es spannende Nischen-Anbieter und innovative Newcomer. Was für kreditsuchende KMU jedoch in erster Linie zählt ist, dass sie einen zuverlässigen Finanzierungspartner mit ausreichend grosser Investoren-Basis finden, mit dem sich die Finanzierung rasch und unkompliziert umsetzen lässt.

Eine Frage, die sich Unternehmer in dem Zusammenhang immer stellen sollten: Würden Sie Ihr eigenes Geld über die ausgewählte Plattform anlegen? Wenn Sie diese Frage guten Gewissens mit einem Ja beantworten können, steht dem Kreditantrag nichts mehr im Wege. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg.

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