«Schwei­zer Un­ter­neh­men schei­nen zu igno­rie­ren, dass IT her­vor­ra­gend da­zu ge­nutzt wer­den kann, sich im Wett­be­werb zu dif­fe­ren­zie­ren», le­se ich in der neus­ten Aus­ga­be von Swiss IT. Denn die Swiss-IT-Studie 2014 von IDC und Com­pu­ter­world deckt auf, dass bloss 12 Pro­zent der be­frag­ten Ma­na­ger in der IT die Mög­lich­keit se­hen, sich mit ih­rer Hil­fe von der Kon­kur­renz ab­zu­he­ben. Är­ger­li­cher­wei­se kommt hin­zu, dass die IT für die meis­ten Un­ter­neh­men bloss ein läs­ti­ger Kos­ten­block ist. Wird die Business-IT to­tal un­ter­schätzt und ha­ben Ma­na­ger von Schwei­zer Un­ter­neh­men ein­fach kei­ne Ah­nung von der Ma­te­rie?

Be­reits im Ja­nu­ar hat­te ich ei­ne span­nen­de Dis­kus­si­on mit ei­nem aus­ge­wie­se­nen ERP- und Bran­chen­ken­ner über das glei­che The­ma ge­führt. Das Er­geb­nis: ERP- oder Business-Software bringt nur ganz sel­ten nach­hal­ti­ge Wett­be­werbs­vor­tei­le und auch nur dann, wenn sie in­di­vi­du­ell auf das Un­ter­neh­men zu­ge­schnit­ten wur­de. Beim gros­sen Teil die­ser Fir­men – so die Er­fah­rung des Ex­per­ten – ver­lie­ren sich die­se Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­ma­le aber wie­der rasch, weil in der Fol­ge auf ei­ne aus­rei­chen­de In­ves­ti­ti­on in die Auf­recht­erhal­ten der In­di­vi­dua­li­tät ver­zich­tet wird. Un­ser Fa­zit: Ent­we­der man nimmt die Sa­che mit der stra­te­gi­schen Dif­fe­ren­zie­rung in der IT wirk­lich ernst und stellt die gros­se Scha­tul­le be­reit oder man lässt es bes­ser beim Stan­dard – und da­mit oh­ne stra­te­gi­sche Re­le­vanz – blei­ben. Die zwei­te Lö­sung passt üb­ri­gens für 99 Pro­zent der Un­ter­neh­men, da wa­ren wir uns ei­nig.

Bringt die IT nun wirk­lich «ech­te» Wett­be­werbs­vor­tei­le? Das The­ma scheint ein­mal mehr top­ak­tu­ell zu sein, denn ge­ra­de eben hat mich ei­ne IT-Journalistin da­zu in­ter­viewt. Sie war ge­lin­de ge­sagt über­rascht über mei­ne An­sicht, dass dem nicht so sein soll. Mög­li­cher­wei­se hat mei­ne strik­te Be­trach­tung der stra­te­gi­schen Re­le­vanz von IT auch mit mei­nem stren­gen Ver­ständ­nis des Be­griffs «Wett­be­werbs­vor­teil» zu tun. Ein sol­cher liegt für mich näm­lich nur dann vor, wenn er 1. für den Kun­den zu ei­nem nach­hal­ti­gen Mehr­wert um­ge­münzt wird, wenn er 2. vom Wett­be­wer­ber nicht ein­fach imi­tiert oder ko­piert wer­den kann, wenn er 3. zu ei­ner ech­ten Dif­fe­ren­zie­rung und ei­nem nach­hal­ti­gen Vor­teil (von 3-5 Jah­ren Vor­sprung) ge­gen­über der Kon­kur­renz führt und wenn 4. der Wett­be­werbs­vor­teil ei­nen po­ten­ti­el­len Zu­gang zu neu­en Märk­ten er­schliesst.

Sind wir doch mal ehr­lich: In der Pra­xis trifft dann oft nur noch das vier­te Kri­te­ri­um wirk­lich zu: IT ist her­vor­ra­gend da­zu ge­eig­net, neue Märk­te zu (er)schaffen. Nach­hal­ti­ger Mehr­wert für die Kun­den (mir klin­gen die voll­mun­di­gen An­prei­sun­gen der neus­ten tech­ni­schen Er­run­gen­schaf­ten in den Oh­ren, die für die Mehr­zahl der Kun­den oft­mals kei­nen zu­sätz­li­chen Mehr­wert dar­stel­len, son­dern pri­mär der Be­frie­di­gung der «Technik-Verliebtheit» der An­bie­ter die­nen soll), wirk­li­che Ex­klu­si­vi­tät für den An­bie­ter und ein nach­hal­ti­ger Vor­teil ge­gen­über der Kon­kur­renz sind aber nicht sel­ten Wunsch­den­ken und wer­den wenn, dann nur rhe­to­risch her­bei­ge­re­det statt fak­tisch rea­li­siert.

Da­bei hat die IT-Branche für ih­re Kun­den doch ein viel stär­ke­res Mit­tel als die viel ge­lob­ten Wett­be­werbs­vor­tei­le in der Hand. Die IT ist schlicht und er­grei­fend zur ab­so­lu­ten Not­wen­dig­keit ge­wor­den. Oh­ne sie geht nichts mehr, nein, sie macht mo­der­nes Busi­ness über­haupt erst mög­lich. Und zwar nicht nur für «MU», son­dern auch für die «K» un­ter den KMU – von den Gross­un­ter­neh­men ganz zu schwei­gen. Im Er­geb­nis heisst dies, dass die Un­ter­neh­men auf ih­re wie auch im­mer ge­la­ger­te IT und Sys­te­me gar nicht ver­zich­ten kön­nen und da­zu ge­zwun­gen sind, ei­ni­ger­mas­sen mit der Ent­wick­lung Schritt zu hal­ten. Al­ler­dings nicht, weil sie auf die­se Wei­se ih­re stra­te­gi­sche Stel­lung fes­ti­gen, son­dern weil sie sonst man­gels Ef­fi­zi­enz und Ef­fek­ti­vi­tät in fast al­len Ge­schäfts­be­rei­chen ein­fach vom Markt ver­schwin­den wür­den.

Je­der IT-Verkäufer weiss: Es ist viel ein­fa­cher, «Must-haves» zu ver­kau­fen als die be­rühm­ten «Nice-to-haves». Die mo­der­ne IT ist – im Ge­sam­ten be­trach­tet – ei­ne rei­ne Über­le­bens­not­wen­dig­keit für al­le Un­ter­neh­men ge­wor­den. Wie­so re­kla­mie­ren wir al­so auch noch höchs­te stra­te­gi­sche Re­le­vanz, wenn wir es auf die­se Wei­se viel ein­fa­cher, bil­li­ger und vor al­lem wir­kungs­vol­ler ha­ben kön­nen?

Zwei Din­ge will ich am Schluss noch prä­zi­sie­ren:

Es gilt klar zu un­ter­schei­den, ob die IT im Un­ter­neh­men das Ge­schäfts­mo­dell über­haupt erst mög­lich macht, al­so zum ei­gent­li­chen «En­ab­ler» für die Stra­te­gie­um­set­zung wird, oder ob es bloss um ei­nen stra­te­gie­kon­for­men Ein­satz der IT-Mittel geht. Zwei­te­res ist dis­kus­si­ons­los und führt (idea­ler­wei­se) zu ei­ner kla­ren funk­tio­na­len IT-Strategie.

Selbst­ver­ständ­lich gibt es Un­ter­neh­men, die das We­sen ih­res Business-Modells und ih­rer Stra­te­gie oh­ne ih­re IT gar nicht um­set­zen könn­ten. Ver­fü­gen die­se über ei­ne Al­lein­stel­lung im Markt (und da­mit über ei­ne auf der IT ba­sie­ren­den nach­hal­ti­gen Dif­fe­ren­zie­rung zum Wett­be­werb), dann spielt die IT na­tür­lich die ganz ent­schei­den­de Rol­le. In der Rea­li­tät sind das aber nur ganz we­ni­ge Fir­men, die oben er­wähn­te Swiss-IT-Studie nennt 12 Pro­zent. Ich mei­ne, von den 12 Pro­zent ord­nen min­des­tens drei Vier­tel die Be­deu­tung der IT als ent­schei­den­den Wett­be­werbs­fak­tor in ih­rem Un­ter­neh­men falsch ein, so dass wir in der Pra­xis in ei­nem tie­fen, ein­stel­li­gen Pro­zent­be­reich der­je­ni­gen Un­ter­neh­men lan­den, für wel­che die IT wirk­lich von fun­da­men­ta­ler stra­te­gi­scher Wich­tig­keit ist. Al­le an­de­ren kom­men da­mit klar, dass die IT für sie ein rei­nes Mit­tel zum Zweck ist. Wenn auch ei­nes, auf das sie oh­ne ge­wich­ti­ge Nach­tei­le nicht mehr ver­zich­ten kön­nen.

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