Ich bin da­von über­zeugt, dass vi­si­ons­lo­se Un­ter­neh­men nie nach­hal­ti­gen Ge­schäfts­er­folg er­rei­chen wer­den. Denn in Un­ter­neh­men oh­ne Ziel und Plan – und da­von gibt es nach wie vor je­de Men­ge – wird im schlech­tes­ten Fall Dienst nach Vor­schrift ge­leis­tet oh­ne Mo­ti­va­ti­on und Freu­de an der Ar­beit. Im bes­ten Fall wird bis zur Er­schöp­fung ge­schuf­tet nach der bes­ten Ma­nier von Ani­ta Wey­er­manns „Gring ache u se­ck­le“, oder noch schlim­mer: bis ins kol­lek­ti­ve Bur­nout, wel­ches na­tür­lich die In­ha­ber oder das Ma­nage­ment als ers­tes trifft.

Auch wenn bei­de Fäl­le un­ter­schied­li­che Hin­ter­grün­de ha­ben und der zwei­te für die da­von be­trof­fe­nen Kun­den meist der bes­se­re ist (weil sie dann oft als Kö­ni­ge be­han­delt wer­den), für die vi­si­ons­lo­sen Un­ter­neh­men kommt es im Er­geb­nis auf das­sel­be her­aus. Sie han­geln sich von Tag zu Tag, von Wo­che zu Wo­che, von Mo­nat zu Mo­nat, von Quar­tal zu Quar­tal und von Ge­schäfts­jahr zu Ge­schäfts­jahr. Die Re­sul­ta­te der Un­ter­neh­men (in Form von fi­nan­zi­el­lem Ge­winn und vor­ge­la­ger­ten im­ma­te­ri­el­len Fort­schrit­ten wie et­wa Stei­ge­rung der Sicht­bar­keit in der Pres­se oder der Zu­nah­me von Blind­be­wer­bun­gen von Fach­kräf­ten) sind dann aber rein zu­fäl­lig und sel­ten dort, wo sie sich das Ma­nage­ment und in die In­ha­ber­schaft ins­ge­heim wün­schen.

Eben erst stell­te ein IT-Unternehmer mir ge­gen­über wie­der ein­mal re­si­gniert fest: „Mei­ne Ver­triebs­part­ner ha­ben kei­nen Plan für ih­re Zukunft.“Eine ehr­li­che wie auch er­nüch­tern­de Fest­stel­lung, wie ich mei­ne. Er wünscht sich Part­ner, die für ihr ei­ge­nes Un­ter­neh­men ei­ne kla­re Vor­stel­lung ih­rer Zu­kunft ent­wi­ckeln, sich ei­nen Plan (wohl bes­ser als Stra­te­gie zu be­zeich­nen) für des­sen Rea­li­sie­rung zu recht le­gen und dann halt auch ent­spre­chend selbst­be­wusst ihm ge­gen­über auf­tre­ten kön­nen. Im Ge­gen­zug kann er sich dar­auf ver­las­sen, dass sei­ne Part­ner deut­lich we­ni­ger Ge­fahr lau­fen, im ope­ra­ti­ven Ta­ges­ge­schäft zu er­sau­fen oder in Le­thar­gie zu er­star­ren. Das er­wünsch­te Re­sul­tat, und dar­auf zielt na­tür­lich auch er lang­fris­tig ab, wer­den Part­ner mit deut­lich mehr Um­satz und zu­frie­de­ne­ren Kun­den sein. Er muss es wis­sen, denn er kennt bei­de Ty­pen von Part­nern in sei­nen Rei­hen und der Un­ter­schied bei den Er­geb­nis­sen ist wirk­lich frap­pant.

„Aber wir ha­ben doch ei­ne Vi­si­on, sie steht auf un­se­rer Web­site und in al­len un­se­ren Fir­men­prä­sen­ta­tio­nen“, wer­den Sie jetzt mög­li­cher­wei­se wi­der­spre­chen. Sol­che Vi­sio­nen lau­ten dann bei­spiels­wei­se: „Wir er­stel­len und be­trei­ben en­ga­giert für un­se­re Kun­den IT-Infrastrukturen mit dem Ziel, ihr Ge­schäft op­ti­mal zu un­ter­stüt­zen“ oder „Wir rea­li­sie­ren Kun­den­wün­sche ef­fi­zi­ent, in ho­her Qua­li­tät und er­folg­reich“. Sol­che Vi­sio­nen sind aber al­les an­de­re als vi­sio­när. Sie sind kraft­los und in­spi­rie­ren we­der Mit­ar­bei­ten­de noch Kun­den. Im Ge­gen­teil, sie ver­su­chen ers­tens Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten wie „er­folg­rei­che Rea­li­sie­rung von Kun­den­wün­schen“ oder „Ge­schäft op­ti­mal un­ter­stüt­zen“ als et­was Be­son­de­res dar­zu­stel­len und sie be­schrei­ben zwei­tens kei­nen künf­tig zu er­rei­chen­den (vi­sio­nä­ren) Zu­stand, son­dern ver­har­ren in der Ge­gen­wart. Vi­sio­nen nach die­sem Strick­mus­ter ent­ste­hen re­gel­mäs­sig in der Mar­ke­ting­ab­tei­lung oder im jähr­li­chen „Strategie-Workshop“mit dem Auf­trag „for­mu­lie­ren wir uns ei­nen schön klin­gen­den Spruch mit un­se­ren Kun­den im Mit­tel­punkt (und da­mit im Weg!), den wir als Vi­si­on de­kla­riert über­all ver­wen­den kön­nen“.

So funk­tio­niert es aber nicht. Oh­ne in­ten­si­ve Be­schäf­ti­gung mit Fra­gen wie „was ist un­ser Ge­schäft und was ist dar­aus ab­ge­lei­tet un­se­re Exis­tenz­be­rech­ti­gung?“, oder „wer sind die zu uns pas­sen­den Kun­den?“, oder „wel­chen kon­kre­ten Nut­zen stif­ten wir für un­se­re Kun­den (bes­ser als an­de­re)?“ und vor al­lem „wie un­ter­schei­den wir uns sicht­bar von un­se­ren Mit­be­wer­bern?“ ent­steht in al­ler Re­gel kei­ne iden­ti­fi­zie­ren­de und der Ori­en­tie­rung die­nen­de Vi­si­on son­dern eben nur hoh­les Marketing-Blabla.

UN­TER­NEH­MENS­VI­SIO­NEN – al­les Quatsch! Das Ziel un­se­res Un­ter­neh­mens ist doch völ­lig klar. Wir wol­len und müs­sen Geld ver­die­nen, Punkt.“ Auch das hö­re ich ge­le­gent­lich. Wer das von sich gibt, ver­wech­selt aber Ur­sa­che und Wir­kung. Geld ver­die­nen be­zie­hungs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Er­folg ist nicht die Ur­sa­che, son­dern stets nur die Wir­kung da­von, ei­ni­ges rich­tig ge­macht zu ha­ben. Als pri­mä­res Ziel – und da­mit vor al­lem auch als Vi­si­on – taugt es aber de­fi­ni­tiv nicht.

Da­bei soll­ten wir doch al­le wis­sen, wie es funk­tio­niert. Wie­so ver­kau­fen sich sonst Bü­cher wie die Bio­gra­fie von Ste­ve Jobs (ein her­aus­ra­gen­der Vi­sio­när) oder die Grün­dungs­sto­ry von Goog­le (ein Un­ter­neh­men mit gross­ar­ti­ger Vi­si­on) und vie­le an­de­re Ge­schich­ten gros­ser IT-Visionäre wie Bill Gates, Jack Tra­miel und Kon­sor­ten so gut? Weil wir al­le ganz wild auf die­se Sto­rys sind, weil sie uns ein gu­tes – in­spi­rie­ren­des – Ge­fühl ge­ben und weil uns da re­gel­mäs­sig vor Au­gen ge­führt wird, wie dau­er­haf­ter un­ter­neh­me­ri­scher Er­folg auf­ge­baut wer­den kann. Und ge­nau hier liegt näm­lich der Ha­se im Pfef­fer.

Auch wir IT’ler sind eben emo­tio­na­le We­sen, ob wir das wahr­ha­ben wol­len oder nicht. Auch wir su­chen und wün­schen uns Ori­en­tie­rung und ein emo­tio­nal auf­ge­la­de­nes Ziel für un­se­re be­ruf­li­che und un­ter­neh­me­ri­sche Zu­kunft (das nennt man dann ei­ne Vi­si­on). Ein­fach Über­le­ben oder bes­ten­falls plus 5 bis 10 Pro­zent Um­satz­wachs­tum pro Jahr al­lei­ne ge­nü­gen lang­fris­tig als Mo­ti­va­ti­ons­quel­le für Höchst­leis­tun­gen nicht. Das ist bes­ten­falls „Ländlermusik“von der Dorf­ka­pel­le aber kein „Walkürenritt“von Wag­ner. Kommt hin­zu, wer künf­tig die bes­ten und cle­vers­ten An­ge­stell­ten aus der Ge­nera­ti­on Y auf sei­ne Rei­se mit­neh­men will, der wird sich zwangs­läu­fig zum Vi­sio­när ent­wi­ckeln müs­sen. Denn oh­ne die­se Leu­te wird ein er­folg­rei­ches IT-Geschäft hier­zu­lan­de nicht mehr mög­lich sein.

Ach­tung: Die in die­sem Bei­trag an­ge­spro­che­nen Un­ter­neh­men und ih­re Bei­spie­le sind na­tür­lich frei er­fun­den. Je­de Ähn­lich­keit mit noch exis­tie­ren­den oder be­reits aus dem Markt aus­ge­schie­de­nen Un­ter­neh­men ist nicht be­ab­sich­tigt und wä­re rein zu­fäl­lig.

Beitrag teilen: