Insbesondere Geschäftskunden erwarten heute von einer Business-Software einen für sie klar nachvollziehbaren Kundennutzen. Sie wollen wissen, was ihnen der Einsatz der Software bringt, welche Vorteile sie daraus ziehen können, was sich für ihr Unternehmen mit dem Einsatz der Software praktisch verändert (verbessert) und in welcher Hinsicht die angebotene Software speziell ihre Bedürfnisse und Probleme besser erfüllen bzw. lösen kann als ein vergleichbares Produkt eines anderen Anbieters. Lässt sich ein Teil des Nutzens auch noch zusätzlich in Geld beziffern, dann macht dies den Verkaufsprozess deutlich einfacher.
Die Praxis der Nutzenkommunikation von Software-Häusern sieht aber meistens wie folgt aus (alle Beispiele stammen aus Original-Unterlagen, wurden aber anonymisiert).
Technologie-Geschwafel
«Kernkompetenzen der XYZ AG: Microsoft Windows Azure, Vista, XP, 2000, Windows 7, NT, CE auf Basis objektorientierter Programmierung mit den Sprachen C#, Visual C++, Visual Basic und XML, Internet, Extranet oder Intranet mit Microsoft-Technologien wie C#, WPC, SOAP, WPF, XML, COM+, Java-Script, VB-Script und SQL Server, SQL Datenbanken Microsoft und Oracle, SQL Azure. Azure Circle…»,
«ABC ist eine Rich Internet Application (RIA) und in Java programmiert. Durch die Verwendung der UltraLightClient-Technologie von Canoo benötigt ABC auf dem Internet eine bedeutend geringere Bandbreite, …».
Hier werden dem Kunden Technologien um die Ohren geschlagen, die er meist nicht kennt und versteht. Ob und welchen Nutzen diese ihm bieten könnten, bleiben im vollkommen verschlossen. Oftmals schrecken solche Technologie-Aufzählungen sogar direkt ab, implizieren sie doch, dass es sich offensichtlich um etwas sehr Kompliziertes handeln muss. Etwas, was kein Kunde bei einer Business-Software aber haben möchte.
Marketing-Blabla und Worthülsen
«Eine intelligente Fibu mit Kostenrechnung geht weit über die bisher bekannte Darstellung von Vergangenheitsdaten hinaus. Sie ist, gepaart mit einem ebenfalls intelligenten Controlling, das wichtigste Führungsinstrument Ihres Unternehmens».
«Das vollausgereifte ERP-System zeichnet sich neben einer äusserst umfangreichen Funktionalität durch folgende Leistungsmerkmale aus:
- Hohe Modularität mit durchgängiger Integration
- Bedingungslose Swiss Quality
- Einfache Bedienung / schlankes Design».
Solche Aussagen stammen meist direkt aus der Marketing-Küche. Ihr Nutzeninhalt ist aber weitgehend wertlos, da sie keine echten Hinweise auf die Vorteile des Software-Einsatzes erlauben. «Intelligente Fibu», «Bedingungslose Swiss Quality» oder «schlankes Design» klingen zwar gut, bringen dem Kunden aber weder mehr Umsatz, weniger Kosten, höhere Effektivität noch sonst etwas Greifbares und Nützliches. Und wenn doch, so muss er intensiv darüber nachdenken, um den Wert darin zu erkennen. Ein Denkaufwand, den kein Kunde betreibt.
Selbstverständlichkeiten
«Kernkompetenzen der XYZ AG
- Umfassendes und bewährtes Know-how
- Fachmännische Begleitung von der Beratung über die Integration bis zum Betrieb
- Rationelles, zuverlässiges und termintreues Projektmanagement».
«Die Vorteile von ABC auf einen Blick
- Einfach verständlich und ohne teuren Schulungsaufwand
- schnell in der Praxis einsetzbar
- Vollintegrierte Mehrwertsteuer
- Offene Datenstruktur ermöglicht einen effizienten Datenaustausch
- Attraktives Preis-Leitungs-Verhältnis».
Die Aufzählung von Selbstverständlichkeiten, bzw. von sogenannten Vorteilen, die jeder Kunde heutzutage ohnehin erwartet, machen wenig Sinn. Oftmals wirken sie sogar kontraproduktiv. Dass ein verkaufbares ERP-System eine «vollintegrierte Mehrwertsteuer» benötigt (nach nun mehr fast 20 Jahren nach Einführung der Mehrwertsteuer auch in der Schweiz) bedarf keiner separaten Erwähnung mehr und wird von jedem Kunden als eine Selbstverständlichkeit gesehen.
«Selbstbeweihräucherungen» und Superlativen
«Die XYZ AG ist einer der führenden Anbieter von Business Software für kleine und mittelständische Unternehmen in der Schweiz. Seit der ersten Markteinführung im Jahre 0000 haben sich weit über 9000 Schweizer KMU für ABC Business Software entschieden.»
«Heute ist XYZ AG einer der grössten unabhängigen Anbieter von Retail Gesamtlösungen mit mehreren hundert POS Systemen im europäischen Raum mit dem Schweizer Markt als Schwerpunkt.»
«Führend» oder einer der «grössten Anbieter» zu sein, behaupten viele Unternehmen von sich. Diesen Aussagen kann der potentielle Kunde aber wenig Nutzbringendes für sich selbst entnehmen. Stimmen wenigstens die genannten Zahlen, was für den Kunden natürlich nie nachprüfbar ist, dann lässt sich daraus wenigstens so etwas wie erhöhte Sicherheit konstruieren.
Nutzenkommunikation auf Level 1
Manchmal finden sich aber auch brauchbare Ansätze wie «Abbildung von Zahlungsplänen für pauschal verkaufte Projekte» oder «Garantierte Pauschalpreise» in den Funktions- und Profil-Aufzählungen. Ich bezeichne solche Aussagen als Level 1 Nutzenkommunikation, weil sie zwar einen echten Kundennutzen beinhalten, ihn aber nicht aus der Sicht des Kunden, sondern aus der Eigensicht formulieren.
Es braucht die Nutzenkommunikation aus der Sicht des Kunden, Level 2
Damit sich der Kunde abgeholt und verstanden fühlt, muss die Kommunikation aus seiner persönlichen Sicht stattfinden. Dazu muss man seine Wunschkunden (sprich Zielgruppe) so gut kennen, dass man praktisch in deren Kopf «spazieren» gehen kann und man muss lernen, sein eigenes Lösungsangebot durch die Kundenbrille zu sehen und auch aus dieser Perspektive zu beschreiben.
Bezogen auf die beiden obigen Beispiele der Level 1 Nutzenkommunikation könnte es dann im ersten Fall vielleicht heissen: «Stellen Sie rechtzeitig, vollständig und fehlerfrei Ihre fälligen Rechnungen auch bei Pauschal-Projekten». Und im zweiten Fall: «Keine Kostenüberschreitungen mehr, keine Unsicherheiten über die Fertigstellung Ihres Projektes und jederzeitige Sicherheit, dass Sie Ihr Budget zu 100% im Griff haben». So denkt der Kunde und das will er hören, damit er sich verstanden fühlt.