Um es gleich vorweg zu nehmen. Auch am zweiten Software-Contest der topsoft in Bern gab es keinen Gewinner. Wenigstens nicht im Sinne des Wettbewerbs, sondern vielmehr im Sinne eines klaren Nutzengewinners.
Hohe Nutzenversprechen für Anwender
Thematisch klar fokussiert stand der Tag in Bern im Zeichen der Software-Bedürfnisse von Unternehmen, welche projektorientiert arbeiten, sei es als Dienstleister und/oder als Projektfertiger. Aufgeteilt auf den Vormittag und Nachmittag konnte sich der Besucher problemlos entscheiden, welcher Teil für ihn hilfreich und damit nutzenbringend sein wird. Der Software-Contest geht hier mit seiner Fokussierung mit gutem Beispiel voran.
Die topsoft als Veranstalterin selbst hatte die eigene «Nutzen-Latte» für teilnehmende Besucher sehr hoch gelegt. Die Liste der Vorteile durch den Contest beeindruckte dementsprechend. Neben einer einfacheren Vergleichbarkeit von Software-Lösungen über die Reduktion von Aufwand, Risiko und Dauer einer Evaluation bis hin zur Beurteilung der «Chemie» der Anbieter waren die Nutzenargumente absolut überzeugend. Und, ich muss feststellen, sie wurden durch den Anlass auch weitgehend erfüllt.
Die Basis für den gelungenen Tag waren die solide Organisation und Durchführung der Veranstaltung und des eigentlichen Contests selbst. Die von Marcel Siegenthaler ausgearbeiteten Praxisfälle und Drehbücher sind beispielhaft – wenn auch (beabsichtigt) einfach gehalten – und zeigten den Besuchern, wie gute Softwareauswahl in KMUs heute aussehen kann. Ich würde sie sogar als Lehrstück für eine solide Anbieterauswahl in der Praxis bezeichnen, wenigsten dort, wo eine Auswahl auch wirklich zu treffen ist. Meine Erfahrung zeigt, dass nach wie vor die meisten KMU Softwarekunden keine Evaluation durchführen, die diesen Namen auch nur annähernd verdient. Hier wird nach wie vor fleissig «gewurstelt» und die Wahl des Anbieters eher dem Zufall überlassen, auch wenn dies nicht unbedingt beabsichtigt wäre.
Als äusserst gelungen würde ich auch die Integration rechtlicher Fragestellungen in den Contest beurteilen. Dass die meisten Anbieter auf der Bühne erkennbar wenig Begeisterung für die juristischen Aspekte aufbrachten, hat mich zwar nicht überrascht. Klare Ausnahme war hier nachvollziehbar Step Ahead. Kommt diese Lösung doch aus Deutschland und dort werden bekanntlich ohne Vertrag mit Unterschrift und Firmenstempel nicht einmal mehr Bleistifte bestellt. Ich glaube allerdings, dass wir auch in der Schweiz auf eine wesentlich intensivere formelle rechtliche Absicherung zusteuern, so dass die Rechtsfragen auch hier zulande stark an Bedeutung gewinnen werden. In diesem Sinne war der juristische Teil ein deutliches Plus für die Besucher.
Des einen Freud, des anderen Leid?
Meinem Credo folgend «Was machen wir für wen mit welchem zielgruppenspezifischen Nutzen deutlich besser als andere» war die Veranstaltung für die Software-Anbieter allerdings eine schwierig zu meisternde Herausforderung. Sowohl die ganze Übungsanlage als auch die konkrete Umsetzung durch die «Contestanten», wie sich Marcel Siegenthaler ausdrückte, leisteten einer hohen Vergleichbarkeit und draus folgend einer hohen Austauschbarkeit deutlich Vorschub. Ausgehend von der strategischen Grundannahme, dass der Markterfolg zwingend von der Fähigkeit zur Differenzierung abhängt, musste der Auftritt der Anbieter mit ihrem 0815-Muster zwangsläufig zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen.
Wer sich dessen bewusst war, hätte diesen Umstand voll und ganz zu seinem eigenen Vorteil nutzen können. Konsequent getan hat es kein Anbieter. Ich behaupte – und viele Gesprächspartner (auch Aussteller!) haben dies bestätigt – der klassische Besucher konnte sich am Abend weder an die gezeigten Software-Lösungen noch an spezifische Aussagen von einzelnen Anbietern nachweislich erinnern. Wahrscheinlich deswegen nahmen wir alle eine Mappe mit Werbematerial mit nach Hause. So bleibt aber möglicherweise bei vielen Besuchern neben den oben erwähnten flankierenden Mehrwerten eher das Gefühl einer Werbeveranstaltung als eines nutzenbringenden Events zurück. Eigentlich schade.
Doch gerade hier sehe ich das grosse ungenutzte Potenzial des Contests für die Software-Anbieter selbst. Eine klare Differenzierungsstrategie, gepaart mit einer zielgruppenspezifischen Nutzenkommunikation anstelle von Standard-Blabla würde einerseits den Erkennungswert jedes Anbieters massiv erhöhen und andererseits seinen eigenen Mehrwert an einer Veranstaltung wie dem Software Contest oder auch einer topsoft massiv steigern. Bloss, wer ständig Angst hat, potentielle Kunden zu verlieren, die er noch gar nicht gewonnen hat, müsste massiv über seinen Schatten springen. Denn, wie heisst es beim Verkaufsexperten Martin Limbeck so schön: «Nicht gekauft hat er schon!»