Es sind fünf zentrale Bausteine, die in ihrem Mix für den Erfolg eines Software-Unternehmens verantwortlich sind. Auf keinen der Bausteine kann ohne negative Folgen verzichtet werden. Der Inhalt und der Detaillierungsgrad jedes Bausteins sind hingegen immer unternehmensspezifisch und müssen auf die konkrete Software-Firma massgeschneidert werden. Standard-Visionen oder Standard-Leitbilder entfalten in der Praxis keine erfolgsunterstützende Wirkung, sondern führen bloss zu Demotivation, Gleichgültigkeit oder gar Zynismus.
Unternehmenszweck und Werte: «Wer würde es aufrichtig bedauern, wenn es Ihre Software-Firma nicht (mehr) gäbe?» Fänden Ihre Kunden in Kürze einen vergleichbaren Anbieter? Wären Ihre Mitarbeiter insgeheim froh, könnten sie sich beruflich verändern und dem Hamsterrad entkommen? Fragen Sie sich als Unternehmer oder Manager selbst gelegentlich, ob das Leben nicht noch etwas anderes (besseres) für Sie bereit hält und fühlen Sie sich gelegentlich ausgebrannt? Dies sind klassische Symptome fehlender oder sich widersprechender Werte im Unternehmen und einer falschen Antwort auf die Frage nach dem Unternehmenszweck.
Abgesehen vom universal gültigen Motiv «Schaffung von echtem Mehrwert für Kunden» sind die Unternehmenswerte das unverzichtbare Fundament und der Kitt, der einen «losen Menschenhaufen» erst zu einem schlagkräftigen Team und damit einem echten Gewinnfaktor für das Unternehmen und seine Kunden zusammenklebt.
Tragfähige und positiv wirkende Werte können nur aus dem eigenen Unternehmen geschöpft, diskutiert, verankert und gelebt werden. Kopieren führt in die Austauschbarkeit und damit unweigerlich in den Abgrund.
Einige Praxisbeispiele von den Websites Schweizer Software-Unternehmen illustrieren die Kraft eines nach aussen gerichteten Zwecks und tragender Werte.
Abacus: «Langfristiges, ganzheitliches Denken steht bei ABACUS über kurzfristigen Rentabilitätsüberlegungen. Zufriedene, treue Kunden und ein gesundes Wachstum sind unsere Ziele. Ethische und moralische Werte bestimmen die Geschäftstätigkeit.» In wenigen Worten wird der Kern des Unternehmenszwecks und der Werte auf den Punkt gebracht. Entscheidend: Der Kunde wird zum Nervenzentrum einer langfristigen Nutzenstrategie erklärt und nicht zum Mittel zur Gewinnmaximierung degradiert.
Dynasoft: «Der erzielte Gewinn soll die Basis schaffen, unsere Kompetenz und Produkte laufend zu verbessern sowie unsere Unabhängigkeit zu bewahren.» Gewinn ist (nur) eine Folge und dient (bloss) der Erhaltung der Zukunftsfähigkeit und damit der Steigerung der Innovationskraft zum Nutzen der Kunden. Diese Zweckbestimmung funktioniert für Kunden, für Mitarbeiter, für die Eigentümer und alle anderen Partnern.
Dreipol: «Viele alltägliche Interaktionen sind oftmals unnötig kompliziert. Deshalb haben wir dreipol gegründet: Ein innovatives, junges Unternehmen, welches mit Hilfe von gutem Interaction Design auch Ihren Alltag vereinfachen und angenehmer gestaltet, indem wir die Interaktion mit Produkten, Tools und Dienstleistungen auf die Bedürfnisse des Users zuschneiden.» Diese Zweckbestimmung hebt sich wohltuend von den vielen Selbstbeweihräucherungen und Technologie-Erklärungen anderer Unternehmen ab und bringt mit wenigen Worten die Probleme auf den Punkt, die Dreipol für seine Kunden löst. Damit gerät die Firma gar nicht erst in den Verdacht, ihre Eigeninteressen zu verfolgen.
Vision und strategische Ziele: «Wohin soll die Reise gehen? Welchen grundlegenden Beitrag wollen wir mit unserem Unternehmen leisten und uns damit in unserem Markt «unverzichtbar» machen?»
Wer auf diese Fragen keine Antworten hat, oder bereit ist, solche zu erarbeiten, wird mit seinem Unternehmen immer Spielball der Marktkräfte bleiben. Er gibt sein Schicksal aus den eigenen Händen und lässt damit andere über den Fortbestand oder den Untergang seines Unternehmens entscheiden. Für einen erfolgreichen Unternehmer ein No-Go.
Ein Unternehmer braucht eine Vision, d.h. ein geistiges Bild, von dem was er mit seinem Unternehmen erreichen will. Das Bild darf zu Beginn durchaus verschwommen sein, es muss aber in jedem Zeitpunkt die inspirative Sinn- und Energie-Quelle für alle am Unternehmen Interessierten (Kunden, Eigentümer, Mitarbeiter, Partner, usw.) sein. Mit fortschreitender Umsetzung der Strategie setzt sich das Management Ziele für einen überblickbaren Zeitraum und nähert sich damit schrittweise der Vision und ihrer Konkretisierung.
Einige Praxisbeispiele für gelungene und weniger gelungene Visionen:
Pentag: «Wir setzen Kundenwünsche erfolgreich, effizient und in hoher Qualität um.» Eine kraftlose Vision. Bereits heute geht jeder Kunde selbstverständlich davon aus, dass sein Softwarepartner Projekte erfolgreich, effizient und qualitativ gut umsetzt. Abgesehen davon, muss die Vision zwingend ein in der Zukunft zu erreichendes Ziel stecken und darf nicht einfach den heutigen Zustand beschreiben.
Intersys: «Wir fördern den Erfolg unserer Kunden nachhaltig.» Nicht besonders kreativ aber im Kern vollkommen richtig. Wenn es der Intersys nachhaltig gelingt, den Erfolg ihrer Kunden zu vergrössern, dann wird sie selbst auch erfolgreich werden. Dies ist ein Naturgesetz.
Noser: «Noser Engineering AG ist das führende und etablierte Schweizer Dienstleistungs-Unternehmen in der technischen Informatik und ist der Inbegriff für Zuverlässigkeit und wirtschaftlich optimale Lösungen.» Durchaus eine taugliche Vision, leider aber rein introvertiert. Der Kunde selbst hat nämlich wenig davon, dass Noser führend werden möchte. Im Gegenteil, hier liegen Gefahren (Kunden als Mittel zum Zweck missbrauchen) verborgen, je nachdem, was Noser unter «führend» versteht.
Garaio: «In unserem Segment streben wir die Marktführung an.» Das ist eine klare strategische Ansage. Geht es um Marktführerschaft in einer Nische, worauf die Aussage «in unserem Segment» hindeutet, dann hat auch der Kunde in der Regel einen Nutzen daraus; er bekommt innovativere und bessere Lösungen als heute, weil das Anstreben der Marktführerschaft automatisch nach intensiven Innovationsanstrengungen verlangt.
Zusammen fassend muss festgestellt werden, dass sich Software-Unternehmen in der Schweiz mit einer inspirierenden, auf den Markt gerichteten grossen Zielvorstellung (Vision) schwer tun. Hier liegt noch ein grosses Energiepotential, welches vor allem den schon erfolgreichen Firmen einen zusätzlichen Schub verleihen könnte.
Mission: Die Mission ist das an den Markt und die Kunden formulierte Versprechen, einen messbaren Nutzen zu erbringen. Häufig beginnen Missionen mit «Wir helfen unseren Kunden, …» und signalisieren damit dem Markt ihre Kompetenz und Bereitschaft grundlegende Kundenprobleme besser als andere lösen zu können. Je attraktiver die Mission, desto stärker wird sich die Anziehungskraft vor allem auf neue Kunden entwickeln.
Einige Praxisbeispiele für Mission Statements in der Schweizer Software-Branche:
iSolutions: «Entscheidungen beschleunigen: Durch die Aggregation und Vernetzung von relevanten Daten schaffen wir Transparenz und Effizienz, damit Unternehmen von heute und morgen schnell entscheiden und handeln können.» Durchaus eine Mission, wenn auch etwas technisch formuliert. Der Kundennutzen ist aber klar: Auch morgen noch schnell entscheiden und handeln können, eine Herausforderungen für viele Firmen.
Opacc: «Opacc automatisiert die Geschäftsprozesse ihrer Kunden auf einer einzigen Anwendungsplattform.» Dies ist eigentlich eine universal gültige Mission für jeden ERP-Hersteller und somit wenig sagend und austauschbar.
AdNovum: «AdNovum – Vollendete Software-Projekte.» Klingt zwar banal, hat aber in der Software-Branche hohe Sprengkraft. Wer kennt die gescheiterten und nie vollendeten Software-Projekte nicht, sie sind zahlreich. Potenzielle Kunden, die diese Erfahrungen gemacht haben, fühlen sich von dieser Mission magnetisch angezogen.
Strategie und Positionierung: Eine erfolgversprechende Strategie und Positionierung bauen immer auf einer klaren Differenzierung zum Wettbewerb («Alleinstellung») und einer strategisch verankerten Kundennutzenorientierung auf.
Die Herausarbeitung einer unternehmensspezifischen und von den Kunden wahrnehmbaren Alleinstellungspositionierung verlangt einiges an Gehirnschmalz und Neu- und Umdenken. Im Kern muss die Frage «Was wollen wir künftig für wen mit welchem zwingenden Nutzen spürbar besser machen als es anderen tun?» beantwortet werden. Eine Investition, die sich in echtem Kundeninteresse statt Verkaufsdruck, in besseren Preisen und Margen statt Rabattschlachten und in Beraten statt Kämpfen gegen zahlreiche Konkurrenten mehr als bezahlt macht.
Einige Praxisbeispiele für Aussagen zu Strategie und Positionierung:
Optive: «Gelegenheiten, sich zu verzetteln, gab es viele. Wir haben sie nicht wahrgenommen.» Ein Musterbeispiel und wunderschön formuliert. Hoffen wir, dass die Praxis dieser Aussage folgt.
Sage Schweiz: «Folgende 3 Faktoren machen uns einzigartig: Lokale Marktkenntnisse – kombiniert mit internationalem Know-how in der Softwareentwicklung, Breitgefächerte Produkt- und Dienstleistungspalette – passend für jedes Schweizer KMU und Kundennähe – dank gesamtschweizerischem Netzwerk an Geschäftspartnern.» Sage formuliert ihre Strategie klar und nachvollziehbar. Ob die Kombination dieser drei Faktoren eine «Einzigartigkeit» begründen, ist hingegen fraglich.
Crealogix: «Seit dem Börsengang im Jahr 2000 verfolgt die CREALOGIX Gruppe eine Wachstumsstrategie.» Diese Aussage definiert weniger die Strategie selbst, als vielmehr den Motor hinter der Strategie. Dennoch, eine klare Aussage, welche ebenfalls klare Erwartungen weckt. Bloss, alleine durch die Absicht zu wachsen, wird Crealogix nicht automatisch auch erfolgreich, das gilt es zu bedenken.
Strukturen und Führung: Selbstverständlich braucht auch die beste Alleinstellungsstrategie ein operativ gut funktionierendes Unternehmen mit entsprechender Führung.
Vor allem in KMU werden in der Praxis der Grossteil der Unternehmensentwicklung in die betriebswirtschaftliche Optimierung der Strukturen und in das «Steuern» von Mitarbeitern investiert. Erfolgreiche Software-Unternehmen tun das Gegenteil. Sie sind sich bewusst, dass die Unternehmensstrukturen und das Führungssystem (bloss) ein Ausfluss ihrer Strategie sind und daher nur funktionieren können, wenn die Basis wie oben beschrieben sauber gelegt wurde. Dann hingegen deutlich effektiver und selbständiger, als in den kühnsten Träumen vorstellbar.